Gleichberechtigung am Arbeitsplatz – Falsche Frage zu einem Grundsatzthema?
Gleichberechtigung von Frauen ist ein Thema, mit dem ich quasi aufgewachsen bin. Es ging immer um Gleichstellung, Möglichkeiten der Berufswahl und nicht zuletzt um gleiche Gehaltsstrukturen sowie Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten.
Besonders hat mich in den letzten Jahren beschäftigt, wie sich die unterschiedlichen Kombinationsmöglichkeiten von Familie und Karriere im Vergleich zwischen Frauen und Männern darstellen. Häufig habe ich mich schon gefragt, wie groß die Fortschritte in den letzten 40 Jahren tatsächlich waren (doch, ich weiß, dass sich zumindest in klein(st)en Schritten etwas bewegt hat) und auch, was letztendlich realistisch gesehen möglich ist?
Momentan nur eine scheinbare Gleichberechtigung am Arbeitsplatz
In meinen Augen haben wir erst dann Gleichberechtigung von Mann und Frau am Arbeitsplatz erreicht, wenn Frauen sich keinerlei Gedanken mehr darüber machen müssen, ob sie sich voll auf die Familie konzentrieren wollen, kinderlos bleiben möchten, oder Familie und Karriere kombinieren und jede dieser Alternativen problemlos und mit den gleichen Ansprüchen zu verwirklichen ist, wie sie Männern gewährt werden.
Davon sind wir noch sehr weit entfernt! Momentan ist es doch eher so, dass jede dieser Positionen von der einen oder anderen Gesellschaftsgruppe kritisch beäugt und mit stigmatisierenden Kommentaren versehen wird. Egal, wofür Frau sich (vielleicht sogar gemeinsam mit einem Lebenspartner) entschieden hat: Irgendein Kritiker findet sich immer. Sei es, dass die Frau sich auf dem „Ruhepolster der Mutterschaft“ ausruht, oder das „Wachstum der Gesellschaft“ beschränkt, weil sie sich „der Schwangerschaft versagt“, oder aus „purem Egoismus beides unter einen Hut“ bringen will. Die lauten negativen Kommentare sind stets zu hören.
Es gibt einige bei genauer Betrachtung recht fadenscheinige Kriterien, mit denen versucht wird, sich dem Thema zu widmen und mittels deren Ausprägungen die Gleichberechtigung von Mann und Frau am Arbeitsplatz suggeriert wird.
Zudem gibt es einige bei genauer Betrachtung recht fadenscheinige Kriterien, mit denen versucht wird, sich dem Thema zu widmen und mittels deren Ausprägungen die Gleichberechtigung von Mann und Frau am Arbeitsplatz suggeriert wird. Nicht nur die zuweilen inoffizielle Politik der meisten Unternehmen spricht da eine eigene Sprache:
Da wird Frauen nach der Elternzeit eine andere, weniger anspruchsvolle Aufgabe zugewiesen, weil das bisherige Einsatzgebiet von dem Vertreter besetzt ist. Der Vorstand einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei erklärt einer vielversprechenden, ambitionierten Anwältin: „Sie können Partnerin werden, aber selbstverständlich nur dann, wenn Sie keine Kinder bekommen.“ In Einstellungsverfahren werden nahezu unlautere Methoden verwendet, um herauszufinden, wie es um die Familienplanung der Kandidatin bestellt ist. In einem Pharmaunternehmen existieren zwei Anträge für Elternzeit: einer für Männer, der über zwei Monate läuft, einer für Frauen, dessen Zeitraum beliebig ist.
Karrierechancen schwinden, wenn Männer eine längere Elternzeit nehmen und mit dem immer noch bestehenden Ungleichgewicht in der Gehaltsstruktur, überlegen sich viele Paare, wie gleichberechtigt die Elternzeit in Anspruch genommen werden soll und kann.
Und um es noch auf die Spitze zu treiben: In einem multinationalen Unternehmen der Konsumgüterindustrie wird eine Liste geführt, auf der das Schwangerschaftsrisiko weiblicher Beschäftigter bewertet wird, um zu vermeiden, das entsprechende Mitarbeiterinnen für Führungspositionen empfohlen werden.
Auf beiden Seiten schwarze Schafe
Natürlich kenne ich auch die andere Seite. Da werden Arbeitgeber mit der minimal einzuhaltenden Frist über die bestehende Schwangerschaft informiert, so dass eine Vertretungsregelung fast nicht mehr zu realisieren ist. Frauen kommen „dann doch nicht“ aus der Erziehungszeit zurück wie geplant, oder nutzen das Kind als Option, um sich in einem Umfang Freiräume zu schaffen, die einem geregelten Arbeitseinsatz widersprechen.
Dies sind keineswegs Einzelfälle und die Diskussion darum, was welches Verhalten bedingt, ist müßig. Aber sie sind gleichsam Symptome dafür, dass wir in unserer Diskussion und vor allem Anstrengung, wie sich gleichberechtigtes Arbeiten organisieren lässt, noch nicht wirklich weit gekommen sind.
Es gibt bestimmte Dinge, die sich nicht wegdiskutieren lassen und dies ist unter anderem die Interessensdivergenz von Arbeitgeber und (weiblichem) Arbeitnehmer, wenn es um Familienplanung und Karriere geht.
Arbeitgeber wollen Verlässlichkeit und Planbarkeit. Nicht nur im Hinblick auf den zeitlichen Einsatz, sondern auch in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Motivation. Karriere ist daher auch meist mit einer langfristig angelegten Entwicklungsphase und wachsenden Aufgaben und Projekten verbunden.
Familie hingegen bedeutet eingeschränkte Planungsmöglichkeiten, vielseitige Abhängigkeiten, emotionalen Einsatz, Verpflichtung und (zumindest teilweise) kräftezehrendes Engagement. Und dabei reden wir noch nicht einmal von Alleinerziehenden!
Mit der Hilflosigkeit, dem unternehmerischen Produktivitätswahn ausgeliefert zu sein, statt den natürlichen Notwendigkeiten durch eine Organisationsstruktur zu entsprechen, die zwar den Gewinn dann nicht mehr maximiert, aber Freiraum für die Vielseitigkeit der familiären Bedürfnisse eröffnet, erarbeiten Unternehmen Parameter, die ihnen dazu verhelfen, das Prädikat „familienfreundlich“ zu erlangen.
Die Finanzierung von künstlichen Methoden für eine Schwangerschaft ist Ausdruck von Hilflosigkeit
Die neuen Trends beunruhigen mich. Unternehmen, die ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eiern bezahlen, um eine Schwangerschaft zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, die wachsende Zahl von bezahlten Leihmutterschaften, damit die Einschränkungen der Schwangerschaft und die „hormonellen Unwegsamkeiten“ nicht ausgestanden werden müssen, sind für mich nicht zwingend ein Ausdruck von neu gewonnener Freiheit, sondern auch ein Indiz für Hilflosigkeit und Unaufrichtigkeit. Hier geht es doch gar nicht um Gleichberechtigung, sondern darum einen Rahmen zu schaffen, der Mann und Frau als gleich definiert, wo schlichtweg schon biologisch keine Gleichheit erreicht werden kann und der dem Ziel der GleichBERECHTIGUNG nicht dienlich, sondern eher irreführend ist.
Mit der Hilflosigkeit, dem unternehmerischen Produktivitätswahn ausgeliefert zu sein, statt den natürlichen Notwendigkeiten durch eine Organisationsstruktur zu entsprechen, die zwar den Gewinn dann nicht mehr maximiert, aber Freiraum für die Vielseitigkeit der familiären Bedürfnisse eröffnet, erarbeiten Unternehmen Parameter, die ihnen dazu verhelfen, das Prädikat „familienfreundlich“ zu erlangen. Der Fortschrittsindex Vereinbarkeit gilt hier beispielsweise als Qualitätssiegel und hilft vor allem beim Employer Branding, lässt aber viele der grundsätzlichen Fragen unbeantwortet, in dem er den „Erfolgsfaktor Familie“ in den Mittelpunkt stellt und damit voraussetzt, dass sich doch jede Frau diese Parallelität aus Kind und Karriere wünschen „muss“.
Schwangerschaft, Mutterschaft und Kindererziehung sollte natürlich in den Lebens-und Arbeitszyklus integriert werden
Hilflosigkeit zeigt sich auch angesichts der vermeintlichen Einschränkungen, die mit Schwangerschaft, Mutterschaft und Kindererziehung einhergehen, quasi naturgemäß verbunden sind und, statt diese als essentiellen Bestandteil des Lebens- und Arbeitszyklus zu integrieren in eine dynamisch-flexible Unternehmenslandschaft, lediglich ihre scheinbar defizitären Elemente berücksichtigt und zu verhindern sucht.
Unaufrichtigkeit, weil nicht zu Ende gedacht wird, auf welchen Balanceakt sich eine Frau und insbesondere Alleinerziehende einlassen müssen und der mit einer manchmal unerträglich oberflächlichen „familienfreundlichen Unternehmenskultur“ weggewischt wird. Es ist nicht mit flexiblen Arbeitszeiten und Home Office oder einem Betriebskindergarten alleine getan.
Es bedarf eines grundsätzlichen Überdenkens der gesellschaftlichen Haltung zur Raison d’Être unterschiedlicher Lebensentwürfe einschließlich der daraus folgenden Konsequenzen und: im unternehmerischen Umfeld einer Neudefinition des Begriffs Karriere sowie deren Voraussetzungen und Realisierungswege.
Agilität als neues Credo der erfolgreichen Arbeitswelt darf, ja muss sich auch in unserem Bestreben zeigen, Mann UND Frau den gleichen Zugang zu privaten und beruflichen Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen.
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